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Bitte lächeln!

Veröffentlicht am 19.07.2019 von Manuela Specker - Bildquelle: Shutterstock
Bitte lächeln!

Immer freundlich sein: Über die emotionale Herausforderung von Jobs mit viel Kundenkontakt.

Die Kundin im Elektrofachgeschäft beschwert sich über eine Lappalie, am liebsten würde ihr der Verkäufer ins Gesicht schreien, wie daneben er ihre Reaktion findet. Aber natürlich muss er freundlich bleiben, Verständnis zeigen und sie beruhigen. In Jobs, in denen man auch für eine emotional angenehme Atmosphäre verantwortlich ist, gestaltet sich die Anforderung noch schwieriger, ungeachtet der eigenen Gefühlslage permanent das Wohl der Kundinnen und Kunden ins Zentrum zu stellen. Das gilt beispielsweise für Flight Attendants, der Klassiker unter den Berufen, in denen viel schauspielerisches Geschick gefragt ist. Ein Beruf, in denen es die Dienstleistenden mit allen möglichen Charakteren zu tun haben: mit Cholerikern, Belästigern, Alkoholikern, Ungepflegten, um nur ein paar negative Beispiele zu nennen. Denn das sind jene Kundinnen und Kunden, welche die Arbeit hoch oben über den Wolken zur Hölle machen können, bei zugleich immer dichteren Flugplänen.

Gefühlsarbeit ist anstrengend
Jederzeit die eigenen Gefühle unter Kontrolle zu haben ist unglaublich anstrengend und auslaugend. „Gefühlsarbeit (Emotional Labour) lautet der wissenschaftliche Begriff für diese Anforderung. Er wurde bereits 1983 von der US-amerikanischen Soziologieprofessorin Arlie Hochschild geprägt, als sie die Arbeit von Flight Attendants und Ticketkontrolleuren beschrieb. Soviel ist klar: Die Gefühlsarbeit ist seither nicht weniger geworden, sondern mehr und anspruchsvoller. Das hat nicht zuletzt mit der Bewertungsmanie zu tun, die durch das Internet begünstigt wurde. Die Hotelmanagerin war kurz angebunden? Tags darauf kann sie dies auf „Tripadvisor“ lesen und muss damit rechnen, dass es geschäftsschädigend ist, wenn sich solche Aussagen häufen. Besonders fatal in diesem Bewertungsmechanismus ist, dass sich die Kundinnen und Kunden grundsätzlich im Recht sehen - sie haben schliesslich für die Dienstleistung bezahlt. Dass sie aber bisweilen einfach ihrer schlechten Laune Luft verschaffen wollen, spielt auf den Bewertungsportalen keine Rolle.

Auch Mitarbeitende in Call-Centern können von der Bewertungsmanie ein Lied singen. Sie arbeiten erst noch unter den erschwerten Bedingungen einer emotionalen Fliessbandarbeit, weil ein Anruf dem anderen folgt. Immerhin haben sie den Vorteil, dass sie „nur“ mit der Stimme freundlich bleiben müssen, bei Ärger aber jederzeit das Gesicht verziehen oder die Faust ballen können. Friseure wiederum können selten einfach ihre Arbeit erledigen, sondern müssen sich auch die Sorgen der Kundinnen und Kunden anhören und Ratschläge erteilen.

Was die Gefühlsarbeit besonders anstrengend macht: dass die eigenen Befindlichkeiten nichts zählen. Läuft es privat nicht rund, ist eine nahestehende Person verstorben, hat man eine Trennung zu verarbeiten – nichts von alldem dürfen sich die Betroffenen anmerken lassen. Erschwerend kommt hinzu, dass die „Gefühlsarbeit“ in aller Regel nicht besonders gut bezahlt ist.

Gefährdet für Burnout
So verwundert es wenig, dass das Ausgebrannt sein vor allem in Jobs verbreitet ist, in denen viel emotionale Arbeit geleistet werden muss. Eine Auswertung von 95 Studien, die sich mit der „Gefühlsarbeit“ beschäftigten, konnte einen klaren Zusammenhang zu Erschöpfung und Unzufriedenheit im Job herstellen. "Das liegt daran, dass es viel Energie kostet, beim Arbeiten eine emotionale Maske aufsetzen zu müssen", sagt die Psychologin Ute Hülsheger von der Maastricht University, welche diese Auswertung durchführte. Die Betroffenen sind besonders anfällig auf psychosomatische Beschwerden wie Schlafstörungen, Kopf- oder Brustschmerzen. Forschende der Universität Frankfurt fanden heraus, dass die beruflich verordnete Freundlichkeit Depressionen, Bluthochdruck oder Herz-Kreislauf-Probleme begünstigt. «Je weniger Einfluss Angestellte auf ihre Aufgabe haben, desto negativer wirkt sich ein Zwang zu Höflichkeit aus», so der Arbeits- und Organisationspsychologe Dieter Zapf. Die beste Medizin dagegen wären Kundinnen und Kunden, die sich nicht einfach als Könige sehen und alle möglichen Rechte daraus ableiten, sondern sich auch in das Gegenüber einfühlen können.