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Aufs Vernetzen kommt es an

Veröffentlicht am 05.04.2019 von Svenja Hofert - Bildquelle: GettyImages
Aufs Vernetzen kommt es an

Kreativität gilt als eine der wichtigsten Kompetenzen in der Arbeitswelt. Aber was zeichnet sie eigentlich aus? Und wie lässt sie sich fördern?

2022 wird Kreativität neben analytischem Denken und aktivem Lernen die wichtigste Kompetenz sein – so der „Future of Jobs“- Report des World Economic Forum. Aber Kreativität ist oft nicht das, was wir dafür halten. Nicht Spezial- und Expertenwissen macht Menschen kreativ, sondern die Fähigkeit, über Tellerränder hinauszublicken. Diese wiederum wird von unserer psychologischen Denkeinstellung, dem Mindset also, geprägt. Wird es von Neugier getrieben? Haben wir Interesse für das, was jenseits des Tellerrands liegt? Trauen wir uns, da hinzuschauen und sogar zu hinzugehen?

Wissen verbinden statt trennen
Beim Kreativsein verbinden sich Empathie, Intuition, Erfahrungswissen und Fachkompetenz. In der Schule wird uns Kreativität durch Schwerpunktsetzungen abtrainiert. Fächer werden getrennt voneinander unterrichtet, Musik und Kunst sind unwichtiger als Mathe, Deutsch und Naturwissenschaften. Lehrerinnen und Lehrer benoten etwas, was sie gar nicht bewerten können, weil es nicht bewertbar ist. Sie bewerten nach Schema F, Mustern oder entlang des eigenen Bewertungssystems. Gerne bestrafen sie die Abweichung, weil diese immer auch verstört. Die Ungewöhnlichen sind selten beliebt, weil sie immer auch schwierig sind. Dabei muss Kreatives von der Norm abweichen und ist damit auch immer anstrengend.

Im Studium geht es weiter: Es werden nicht die Verbindungen trainiert, und damit nicht die flexible Denkweise, sondern einzelne Gehirnbereiche. Der Blick über das eigene Fachgebiet und die Verzahnung mit Kunst und Musik ist nur für einige wenige Disziplinen und besondere Hochschulen spezifisch.  Wir werden belohnt für das Richtige – und nicht das Neue. Wir bekommen Anerkennung für Anpassung – und nicht für Verstörung und Regelbruch.

Und im Berufsleben? „Wir arbeiten pausenlos daran, einander zu beeindrucken“, schreibt der Hirnforscher David Eagleman und Autor des Buches „Kreativität. Wie unser Denken die Welt immer wieder neu erschafft“. Der Motor für Kreativität ist immer Anerkennung. Das erklärt, das bestimmte Branchen eher Kreativität fördern als andere. In der Verwaltung sind nicht lauter unkreative Menschen. Es ist vielmehr das System, das Anpassung belohnt und Abweichung sanktioniert. Kreativität wird so unterdrückt. Sie ist dennoch vorhanden.

Wir verlernen implizites Wissen
Kinder beispielsweise können auf viel Fantasie zurückgreifen, aber noch auf wenig explizites Wissen. Explizites Wissen ist versprachlichtes Wissen. Implizites Wissen ist etwas, was man einfach weiss, weil man es weiss, Gabe der Gene und der Vorfahren – Intuition, aber auch Empathie. Kinder besitzen das oft viel mehr als Erwachsene, die das implizite Wissen verlernen. Je mehr Worte wir haben, desto schwieriger wird es. Die Reduktion fällt Menschen wesentlich leichter, die viele Verbindungen im Kopf haben, weil sie eben nicht einseitig explizites Wissen aufgeladen, sondern für Vernetzungen gesorgt haben. Albert Einstein war auch deshalb ein so produktiver Mensch, weil er sich nicht nur mit der Wissenschaft, sondern auch den Künsten, vor allem der Musik beschäftigt hatte.

Leicht kann es vorkommen, dass wir unsere eigene Kreativität nicht erkennen, wenn das Bildungssystem und die Sozialisierung in Unternehmen das natürliche Kreativ-Sein ausgetrieben haben.  Indem Bewertungen verändert und nicht mehr die Anpassung gefördert wird, sondern die Abweichung, könnten Organisationen die Grundlage für mehr Kreativität im eigenen Unternehmen legen.  Die Idee des einsamen Genies ist eine romantische Idee von Menschen, die lieber einen Helden bewundern als einen gesellschaftlichen Prozess und Komplexes vereinfachen. Selbst der als einsames Genie gehandelte Vincent van Gogh befand sich in stetigem Austausch mit anderen Malern und Künstlern. Sein Werk versteht sich zu einem guten Teil aus dieser Interaktion. Kreative Prozesse sind nie einsam, sie sind immer sozial. Die wichtigste Voraussetzung für Individuen, um kreativer zu werden, ist zweifellos Neugierde.