Wer es ständig allen recht machen will, bleibt oft selbst auf der Strecke. Vielen Menschen fehlt der Wille zum „gesunden“ Konflikt, der Mut zum „Nein“. Dabei kann es auch den Mitarbeitenden und Vorgesetzten nicht recht sein, wenn derjenige, der immer „Ja“ sagt, am Ende überlastet zusammenbricht.
Eigentlich müssen Sie einem leid tun, die ewigen „Ja-Sager“: Die Kolleginnen und Kollegen, die sich auch unter Höchstbelastung noch schwertun, neue Aufträge abzulehnen. Die, trotzdem sie den Nachwuchs doch einmal etwas früher aus dem Hort holen wollten, dann doch wieder länger im Büro bleiben. Jene guten Seelen also, denen manch einer mangelnde Selbstorganisation attestiert. Die bei genauerer Betrachtung aber ihren Mitarbeitenden und Vorgesetzten dabei helfen, genau diesen Mangel zu kompensieren.
Der „Fluch“ der guten Seele
Diesen meist charmanten Bittstellern wird der Spätdienst abgenommen, weil ein vielversprechendes Date ansteht. Es wird ihnen die Teilnahme am gemeinsamen Business-Run zugesagt, obwohl für jenen Sonntagvormittag seit langer Zeit ein Familienausflug geplant ist. Auch die Übernahme des Bereitschaftsdienstes am kommenden Wochenende wird noch am Freitagnachmittag bejaht: Man gönnt dem Gegenüber ja den kurzfristig eingeschobenen Segeltörn.
Dass die eigenen Bedürfnisse dabei auf der Strecke bleiben, akzeptiert man genauso, wie es die Beglückten tun. Die Kehrseite der Medaille: erhöhter Stress, zu wenig Freizeit, schlechte Stimmung daheim - und deshalb oft ein schlechtes Gewissen der Familie gegenüber.
Haben Sie Mut zur Arroganz
Gehören Sie selbst zu diesen vorbildlichen Kolleginnen und Kollegen? Dann sei Ihnen hiermit wärmstens empfohlen, das „Nein“ zu üben. Im wahrsten Sinn des Wortes kann es helfen, dies beispielsweise vor dem Spiegel zu tun. Dabei geht es nicht darum, irgendwelche Ausreden zu finden, sondern seine eigenen Bedürfnisse zu kommunizieren: „Nein, ich kann heute nicht länger bleiben. Meine Tochter wartet auf mich.“ – „Nein, tut mir leid: Am kommenden Wochenende bin ich selbst schon verplant.“
Natürlich kann dies zum Konflikt mit dem einen oder anderen Mitarbeitenden führen, der seine eigenen Bedürfnisse als höherwertig einschätzt. Und Sie müssen sich auch nicht vom absoluten „Ja-Sager“ zum prinzipiellen „Nein-Sager“ wandeln: Bei krankheitsbedingten Ausfällen gilt es weiterhin Loyalität zum Team zu zeigen und nach Möglichkeit einzuspringen. Auch sind Pflichten, die sich aus dem Arbeitsvertrag ergeben, mit Sorgfalt zu erledigen. Zumindest, solange dies nicht durch eine eigene Erkrankung oder höhere Gewalt verhindert wird.
Wichtig ist, dass Sie sich nicht einreden lassen, es fehle Ihnen an Empathie für Kolleginnen und Kollegen, wenn Ihr „neues Ich“ hervortritt. Dass dem nicht so ist, haben Sie schliesslich lange genug vorgelebt.