Viele Arbeitnehmende verharren aus Gewohnheit in ihren Jobs, oder weil sie denken, keine Alternativen zu haben. Mit ein bisschen Experimentierfreude lässt sich das ändern.
Von Manuela Specker
Die Belgierin Laura van Bouchout machte sich zu ihrem 30.Geburtstag ein besonderes Geschenk: Gelangweilt in ihren bisherigen Jobs, in denen sie kulturelle Events organisierte, nahm sie sich vor, ein Jahr lang 30 verschiedene Jobs auszuprobieren. In dieser Zeit führte sie zum Beispiel ein Katzenhotel und entdeckte, dass Arbeiten in der Werbebranche viel aufregender ist, als sie dachte. Heute arbeitet sie als Journalistin in Los Angeles.
Um Einblick in alle möglichen Jobs zu erhalten, schaute sie den Erfahrenen über die Schultern oder leistete Freiwilligenarbeit. Ihre wichtigste Erkenntnis: „Je mehr Jobs ich ausprobierte, desto mehr kam ich zum Schluss, dass es kein rationaler Prozess ist, um zu seiner beruflichen Bestimmung zu finden.“ Mit anderen Worten: Man kann nicht am Schreibtisch Kriterien entwerfen, die der künftige Job erfüllen muss, und sich dann auf die Suche machen. Oder sich ständig der eigenen Stärken, Schwächen und Ambitionen versichern, bevor man loslegt. Laura van Bouchout vergleicht diesen Prozess mit dem Dating: Da bringe es auch wenig, sich vorzustellen, welche Kriterien der neue Partner alle erfüllen muss. Entscheidend sei noch immer das Gefühl, dass sich von Angesicht zu Angesicht einstellt. „Der passende Partner ist oft der, der nicht einmal die Hälfte der Kriterien erfüllt“, so van Bouchout.
Ihr Experiment bezeichnet sie deshalb auch als Jobdating; „ausprobieren, bis es passt“. Ihre wichtigste Erkenntnis: Zuerst handeln und dann denken ist erfolgsversprechender. In der Tat macht das viele Grübeln über den passenden Job oft handlungsunfähig. Es spielt hier auch das sogenannte Auswahl-Paradox. Die zahlreichen Möglichkeiten lähmen uns in unseren Entscheidungen, wie das berühmte Experiment mit Konfitüren: Je grösser die Auswahl, desto weniger waren die Kunden geneigt, eine Konfitüre zu kaufen.
Natürlich geht es nicht einfach darum, einfach irgend etwas zu tun. Sondern etwas, bei dem man sich vorstellen kann, dass es den eigenen Begabungen und Interessen entspricht. Dieses explorative Vorgehen ist nur schon deshalb empfehlenswert, weil viele Menschen in jungen Jahren rein zufällig in ein Berufsfeld rutschen und darin verharren, anstatt sich zu fragen, ob der eingeschlagene Weg tatsächlich noch den eigenen Interessen entspricht. Wer seine Karriere auf diese Weise aktiv gestaltet, verkleinert zudem die Gefahr, zum Spielball von Umstrukturierungen in Unternehmen zu werden.
Nun hat natürlich nicht jeder die Möglichkeit, wie die 30jährige Laura van Bouchout einfach ein einjähriges Sabbatical einzulegen, um neue Jobs für wenig oder gar kein Geld auszuprobieren. Eine etwas weniger radikale Variante wäre es, den Fulltime-Job zu reduzieren und sich in der neu gewonnen Freizeit in neuen Dingen auszuprobieren. Sobald man Gefallen an einer bestimmten Tätigkeit findet, kann man diese immer weiter ausbauen und irgendwann den alten Job hinter sich lassen. Es ist eine Strategie der kleinen Schritte: Alle diese Bemühungen resultieren vermutlich irgendwann in einer grossen Veränderung, die zu mehr Zufriedenheit im Job führt – anstatt im Gewohnten zu verharren und aufgrund wirtschaftlicher Umstände womöglich gewaltsam aus dem Trott herausgerissen zu werden.
Eine Leitplanke im Veränderungsprozess können und sollen die eigenen Werte und Überzeugungen sein. Die Chance, mehr Zufriedenheit im Job zu erfahren ist auf diese Weise bedeutend grösser, als wenn man sich alleine auf den Lohn oder die Karriereperspektiven verlässt.
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