Den eigenen Vorgesetzten zu kritisieren ist ein Balanceakt. Worauf kommt es an?
Eigentlich müssten sie in der Beliebtheitsskala weit oben stehen: die Angestellten, die es wagen, gegenüber ihren Vorgesetzten konstruktive Kritik anzubringen. Denn ganz offensichtlich denken sie mit und geht es ihnen um mehr als nur Dienst nach Vorschrift.
Die Realität schaut freilich anders aus. Jene, die auch einmal Unangenehmes aussprechen und den Vorgesetzten den Spiegel vorhalten, müssen damit rechnen, ins Abseits zu geraten. Und das nicht unbedingt, weil der Vorgesetzte das Feedback nicht zu schätzen wüsste, sondern weil sich andere Mitarbeitende reflexartig entsolidarisieren, um nicht in den Verdacht zu geraten, mit dem Nestbeschmutzer unter einer Decke stecken. Vor allem in Firmen, wo der Konkurrenzdruck unter den Angestellten hoch ist, ist solches Verhalten zu beobachten. Vielleicht hat die Scheu, Kritik anzubringen, auch mit dem irgendwo noch vorhandenen Wissen zu tun, dass in früheren Zeiten die Überbringer der schlechten Nachrichten geköpft wurden.
Heutzutage aber schätzen es insgeheim viele Chefs, wenn ihnen jemand den Spiegel vorhält. Denn je höher in der Hierarchie, desto grösser in der Regel die Einsamkeit. Ihnen bleibt nicht verborgen, dass es sich die meisten nicht mit hierarchisch höher gestellten verscherzen wollen und demzufolge mit ihrer ehrlichen Meinung zurückhaltend sind. Wer hier auf faire Art und Weise die Vorgesetzten darauf aufmerksam macht, wenn etwas nicht gut läuft oder gar aus dem Ruder zu laufen droht, gewinnt langfristig an Ansehen. Und das ist allemal besser, als Kritik am Chef, an der Chefin hinter vorgehaltener Hand anzubringen oder mit Arbeitskollegen zu lästern.
Eine faire Feedbackkultur setzt gegenseitige Wertschätzung voraus sowie eine gewisse Fähigkeit zur Selbstreflexion. Wo sich der Chef als König gebärdet, wo er sich für unfehlbar und allwissend hält, kann ein Mitarbeiter, der Kritik anbringt, nur verlieren und muss er am Ende sogar damit rechnen, den Job zu verlieren.
Ein Unternehmen, dass wenig auf Kritik und Feedback setzt und stattdessen ein Klima der Angst verbreitet, ist allerdings alles andere als zeitgemäss. Gerade jüngere Arbeitskräfte halten nicht viel von Hierachiedenken und finden es selbstverständlich, dass sich Vorgesetzte und Mitarbeitende ohne Führungsfunktion auf Augenhöhe begegnen. Aber auch in einem offenen, modernen Arbeitsklima lauern zahlreiche Fettnäpfchen, wenn es darum geht, hierarchisch höher gestellte Menschen zu kritisieren. Ein paar Tipps: