Wie der Vater so der Sohn: wie Eltern die berufliche Karriere ihrer Kinder beeinflussen.
Druck oder Inspiration? Wer den gleichen Beruf wie der Vater oder die Mutter ausübt, hat oft mit ambivalenten Gefühlen zu kämpfen.
Von Manuela Specker
Er war ein Koloss von einem Schauspieler und ausgesprochen erfolgreich: Heinrich George. Seine Frau Berta Drews legte ebenfalls eine ruhmreiche Karriere als Schauspielerin hin. So überrascht es wenig, dass es ihren Sohn Götz George geradezu magisch in diese Branche zog. Zwar verlor er seinen Vater bereits mit sechs Jahren, doch blieb dieser in Götz Georges Leben omnipräsent. Als er seine erste grosse Rolle auf der Theaterbühne verkörperte, fragte er sich: „Bin ich so gut wie Heinrich“?
Denselben Beruf wie die Eltern zu ergreifen, ist Fluch und Segen zugleich. Der Druck, der auf den Schultern des Nachwuchses lastet, kann lähmen, insbesondere dann, wenn Eltern den Erfolg ihrer Kinder über deren Berufsverlauf definieren. Die Herkunft kann aber genauso anspornen, indem Eltern genau wissen, wie sie ihre Sprösslinge fördern und fordern müssen, um im entsprechenden Business bestehen zu können.
Die Wahrscheinlichkeit, in die Fussstapfen der Eltern zu treten, ist dann am grössten, wenn diese in ihrem Beruf Erfolg und Zufriedenheit ausstrahlen. „Die Berufsbiografie der Eltern beeinflusst automatisch das Verhalten gegenüber den Kindern. Entweder man hat eine positive Berufsbiografie und ist überzeugt von dem, was man tut, oder man bereut die eigene Berufswahl. Das überträgt sich natürlich auf die Kinder”, meint die Karriereberaterin Svenja Hofert. Zu diesem Schluss kommt auch Reinhard Prügl, Professor für Innovation, Technologie und Entrepreneurship an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen. Er befragte 231 Kinder aus Unternehmerfamilien zu ihren Wertevorstellungen und beruflichen Plänen. Wenn Kinder sehen, wie erfüllend der Beruf für den Vater oder die Mutter sei, wachse ihr Bedürfnis, es ihnen gleichzutun. Der Mehrheit sei es dann aber wichtig, eigene Akzente zu setzen und eigenverantwortlich handeln zu können. Das ist die Crux an der Sache: Es gelingt längst nicht allen, sich aus dem Schatten der Eltern zu lösen. Sind Eltern zu erfolgreich, kann deshalb genau das Gegenteil eintreten: Kinder wollen keinesfalls denselben Beruf ergreifen.
Der Coach und Personalberater Roger Hendrichs beobachtet jedenfalls, wie sich Ratsuchende immer wieder auch für Wege entscheiden, die scheinbar weit weg von jenem der Eltern ist, um nicht in deren Handlungsschema zu verfallen. Scheinbar deshalb, weil der Einfluss der Eltern nicht alleine unter dem Blickwinkel der Berufswahl betrachtet werden kann. Kommunikationsstile, Streitkultur, Ehrgeiz und auch die Rolle im Team seien oftmals stärker durch unsere Eltern geprägt, als wir es selber zugeben wollen. Selbst die Frage, ob man sich für eine Vorgesetztenfunktion eignet, hat weniger mit genetischen Faktoren zu tun als mit dem Rollenbild, welches Eltern vermitteln.
Die zentrale Rolle der Familie belegt auch das abgeschlossene Forschungsprojekt «Familie - Schule - Beruf» der Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz, welches unter anderem den Einfluss der Eltern auf den Bildungsverlauf der Kinder untersuchte. Die Erwartungen der Eltern tragen sogar wesentlich dazu bei, ob ihr Kind eine Lehre macht oder das Gymnasium besucht. Die Leistungen der Kinder in Deutsch und Mathematik werden zu 30 bis 50 Prozent durch die Erwartungen und Verhaltensweisen der Eltern bestimmt. Nur 10 bis 15 Prozent der Leistungen sind auf die Art zurückzuführen, wie die Lehrperson unterrichtet. Das Forschungsprojekt förderte auch Bedenkliches zum Thema Chancengleichheit zutage: Da sich Eltern aus bildungsfernen Schichten weniger um die schulischen Belange ihrer Kinder kümmern, erleiden die Kinder – insbesondere Migrantenkinder – wesentliche Nachteile.
Die berufliche Karriere scheint also in nahezu jedem Fall von den Eltern beeinflusst zu sein – eine Verantwortung, dessen sich längst nicht alle Eltern bewusst sind. Nicht einmal der Erfolg des Schauspielers Götz George kann losgelöst von seinem früh verstorbenen Vater betrachtet werden. Er war sein Leben lang Angstmacher und Ansporn zugleich. Zusehends Ansporn, gerade weil er nur noch in seiner Erinnerung lebte. Götz George verkörperte ihn sogar für eine Fernseh-Dokumentation. „Meines Vaters Wunsch war es stets, nur mit den Besten seines Fachs auf der Bühne und vor der Kamera zu stehen, weil nur so große darstellerische Kunst entstehen kann. Warum sollte es sein Sohn ihm nicht gleichtun?“, so Götz George in einem ARD-Interview.