Herr Beyeler, Mercuri Urval wird 30 Jahre alt. Was hat sich Ihrer Meinung nach im HR-Bereich in den letzten Jahren verändert?
Ich sehe drei grundlegende Veränderungen: Die zunehmende Bedeutung des Multi-Channel-Approachs bei der Personalsuche, die Globalisierung der Unternehmen und des Kandidatenmarktes und die vermehrte Förderung interner Ressourcen durch Talent Management anstelle externer Rekrutierung. Es geht darum, Talente im Unternehmen zu erkennen, zu halten und zu fördern. Dies insbesondere im Kontext der schwindenden Ressourcen auf dem Arbeitsmarkt.
Wie beeinflussen diese Veränderungen Ihre Arbeit?
Früher fand die Rekrutierung fast ausschliesslich über Inserate in Printmedien statt, heutzutage ist dies eher die Ausnahme. Auch Online-Jobbörsen werden bereits wieder abgelöst durch aktiv bewirtschaftete Kandidaten-Datenbanken. Die Globalisierung spüren wir hier in Basel besonders durch die Wirtschaftsclusters Life Sciences, Logistik und Messe-/Kongresswesen. Hierfür rekrutieren wir verstärkt im Ausland. Aber auch Betriebe aus anderen Branchen bekunden zunehmend Mühe, im kleinen Pool Schweiz die richtigen Leute zu finden. Deshalb sind unsere Mandate vermehrt international ausgerichtet. Zur Förderung der internen Ressourcen in Unternehmen hat Mercuri Urval das Dienstleistungsangebot „Talent & Transformation" ausgebaut. Damit unterstützen wir Unternehmen einerseits im Talent Management. Andererseits helfen wir aber auch bei der Reorganisation auf struktureller Ebene.
Wie haben sich die Bedürfnisse auf Kandidaten- und Kundenseite verändert?
Beide Seiten sind kritischer und ungeduldiger geworden. Auch haben Kunden und Kandidaten gegenseitig höhere Ansprüche. Unternehmen wünschen sehr schnell eine gute Auswahl an Kandidaten. Diese werden häufiger mit Assessments geprüft. Man kann sich Fehleinstellungen nicht mehr leisten. Die HR-Verantwortlichen haben an Wissen und Erfahrung zugelegt.
Unternehmen sind immer wieder mit Veränderung konfrontiert. Laut einer Studie von Mercuri Urval hat 2012 in der Schweiz im Vergleich zu Europa ein deutlich höherer Anteil der Veränderungsprozesse auf bessere Kunden- und Marktorientierung abgezielt. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft sind die KMU. Diese sind sich Veränderungen gewohnt, da sie sich den Gegebenheiten des Marktes als kleine Player immer schon anpassen mussten. Ausserdem ist die Schweiz ein Exportland, was extreme Veränderungsbereitschaft gegenüber anderen Märkten erfordert. Dass wir kein Euroland sind, erhöht den Druck zusätzlich.
Mehr als die Hälfte aller Veränderungsprozesse in der Schweizer Wirtschaft zielen gemäss Ihrer Studie auf die Anpassung an technische Innovationen ab. Wie erklären Sie das?
Generell hat das Thema Innovation stark an Bedeutung gewonnen. Die Schweiz sieht in ihrer Innovationskraft einen Wettbewerbsvorteil. Daher halten es Schweizer Unternehmen auch für notwendig, Innovationen voranzutreiben. Wir suchen heute explizit Innovationsmanager für entsprechende Positionen, was noch vor wenigen Jahren kein Thema war. So erhielten wir kürzlich auf eine einzige Ausschreibung für eine leitende Stelle im Innovationsmanagement im Nu 170 Bewerbungen.
Auch die Veränderung der Unternehmenskultur steht in der Schweiz mehr im Vordergrund als in Europa. Weshalb?
Menschen kommen wegen Menschen, sie bleiben wegen Menschen, aber sie gehen auch wegen Menschen. Soft Skills wie Kommunikation, Verbindlichkeit, Fairness und Teamgeist, welche die Unternehmenskultur ausmachen, haben einen entscheidenden Einfluss auf die Arbeitsergebnisse der Mitarbeitenden und sind auch bei der Entscheidung eines Kandidaten für oder gegen ein Unternehmen häufig ausschlaggebend. Dies hat man in der Schweiz erkannt. Verglichen mit Deutschland und Österreich ist die Schweiz zudem viel weniger hierarchieorientiert, weshalb die Zusammenarbeit mehr durch Werte als durch Regeln geprägt ist.
Gut ein Fünftel der in der Studie befragten Manager sind der Auffassung, dass generell zu viele Veränderungen stattfinden. Was sagen Sie dazu?
Ich denke nicht, dass zu viele Veränderungsprozesse stattfinden. Vielmehr glaube ich, dass negative Erfahrungen, Ängste und Verunsicherungen zu solchen Aussagen führen. Oder man könnte auch sagen, der falsche Umgang des Managements mit den Verunsicherungen der Belegschaft oder die schlechte interne Kommunikation sind das Problem und nicht die Anzahl der Veränderungen.
Wo sehen Sie zukünftigen Herausforderungen für die Schweizer Wirtschaft?
Länder wie Polen, Tschechien und Ungarn werden uns zunehmend herausfordern. Es handelt sich hier um spannende, emporkommende Märkte, deren Produkte qualitativ vergleichbar sind mit denjenigen aus der Schweiz. Die Kostenstruktur hingegen ist aufgrund der deutlich tieferen Saläre nicht vergleichbar mit derjenigen unseres Landes.
Über Stephan Beyeler
Stephan Beyeler arbeitet seit 1996 bei Mercuri Urval. Im Juli 2009 hat er die Stelle als Niederlassungsleiter in Basel angetreten und seit September 2011 ist er zusätzlich COO von Mercuri Urval Schweiz. Bis 1995 war er in diversen Positionen für die Berner Versicherung (heute: Allianz) tätig.
Über Mercuri Urval
Mercuri Urval ist mit rund 800 Mitarbeitenden in über 50 Ländern und 75 Niederlassungen tätig. Gegründet wurde das inhabergeführte Unternehmen 1967 in Schweden. Seit 1983 bestehen Niederlassungen in der Schweiz. Die Kernkompetenzen der internationalen Personalberatung liegen in den Bereichen Recruitment, Executive Search, Assessments sowie Outplacement und Coaching von Einzelpersonen und Teams. Die Mercuri Urval Berater begleiten vielfältige Entwicklungsthemen im HR-Bereich in kleinen, mittleren und multinationalen Unternehmen aller Branchen.
Die Berater der Niederlassung in Basel betreuen hauptsächlich Nordwestschweizer KMU aus den Branchen Medizinaltechik, Industrie, Logistik, Gesundheitswesen, Energie sowie Organisationen im öffentlichen Sektor. Ihre Kunden profitieren dabei nicht nur von den Dienstleistungen innerhalb der Schweiz, sondern auch auf dem internationalen Markt.
Über die zitierte Studie
In der Studie „Chances for Change" befragte Mercuri Urval 2012 Manager im europäischen Mittelstand zu deren Bewertung von Veränderungsprozessen im Unternehmen. Allgemein konnte festgestellt werden, dass Veränderungsprozesse nicht nur aufgrund konjunktureller Einflüsse, Krisensituationen oder technologischer Umbrüche stattfinden, sondern alltäglich geworden sind. Die Studie zeigt ausserdem diverse Unterschiede zwischen der Schweiz und den restlichen befragten europäischen Ländern auf. Die ausführlichen Ergebnisse sind auf Anfrage erhältlich unter peter.anderegg@mercuriurval.com.