Der Unternehmer und Autor Rolf Dobelli über Stolperfallen in der Arbeitswelt. Warum viele Arbeitnehmer blind sind für alternative Karrierepfade und weshalb Arbeitgeber mit Bonuszahlungen Motivationen zerstören: Rolf Dobellis neues Buch enttarnt systematisch Denk- und Handlungsfehler.
- von Manuela Specker -
Rolf Dobelli (46) scheint einiges richtig gemacht zu haben in seinem Leben. Einst war er Manager bei der Swissair, bevor er 1999 erfolgreich sein eigenes Unternehmen getAbstract, heute führender Anbieter von Buchzusammenfassungen, startete. So ganz nebenbei etablierte er sich als Romanschriftsteller bei einem renommierten Verlag. Das Unternehmertum und die Schriftstellerei sind die Früchte einer beruflichen Sinnkrise, die sich in das Leben des damaligen CEO einer Swissair-Tochtergesellschaft geschlichen hatte.
Während andere sich weiterhin Tag für Tag im Hamsterrad abmühten, ist Dobelli seinen Leidenschaften und Überzeugungen gefolgt. Wenn also so jemand, der nicht nur theoretisches Geschwurbel produziert, Anleitungen zum klugen Denken und Handeln geben will, lohnt sich genaueres Hinlesen. Dobellis soeben erschienenes Buch «Die Kunst des klugen Handelns» ist eine Fortsetzung seines Beststellers «Die Kunst des klaren Denkens». In gewohnt knapper und glasklarer Sprache – die Texte sind alle als Kolumnen erschienen – macht er den Leser auf universal gültige Selbsttäuschungen aufmerksam. Nicht zuletzt in der Arbeitswelt lauern so manche Stolperfallen.
Dobellis Buch ist nicht als Ratgeber zu verstehen, wie man die Karriereleiter erklimmt – ein solcher Fokus wäre bereits sehr unklug. Er legt den Finger vielmehr auf eine Vorstufe; nicht auf das Streben nach Erfolg, sondern auf das Vermeiden von Überlegungsfehlern, die, einmal als solche erkannt, Probleme gar nicht erst entstehen lassen.
Gerade wenn es ums Geld geht, steht es kritisch um das logische Denkvermögen; es werden Kausalitäten erkannt, wo keine sind, und es werden Ursachen mit Wirkungen verwechselt. So lautet eine der gängigen Ansichten, ein MBA führe zu einem höheren Lohn und sei Wegbereiter für eine steile Karriere. Dabei, so Dobelli, würden oft jene Leute einen MBA absolvieren, die sowieso mehr Wert auf eine Karriere legen. Die Berechnungen der Anbieter, wie schnell sich ein MBA auch in monetärer Hinsicht lohnt, werden unkritisch übernommen, selbst wenn der erlittene Lohnausfall während der Ausbildung unberücksichtigt bleibt. Auch Boni basieren auf einem latenten Missverständnis.
Sie bewirken oft das Gegenteil: Geld zerstört Motivation. Wo mit Notenscheinen für mehr Leistung gewedelt wird, werden sich die Mitarbeitenden bald keinen Deut mehr um Dinge scheren, die den Bonus nicht tangieren.
Solche Erkenntnisse sind nicht einfach das Resultat irgendwelcher Gedankenexperimente Dobellischer Prägung. Dobelli unterstreicht seine Argumente mit Ergebnissen aus der Verhaltensökonomie, die mehr Gewicht auf psychologische Faktoren legt und den «Homo oeconomicus» als theoretisches, weltfremdes Konstrukt enttarnt. Dobellis Buch ist vor allem ein Plädoyer gegen Autoritätshörigkeit. Er selber geht mit gutem Beispiel voran. Der französische Philosoph Jacques Derrida, einst Impulsgeber für seine Dissertation über die Dekonstruktion des ökonomischen Diskurses, kommt nicht gut weg. Dobellis Botschaft: sich nicht einschüchtern lassen von gescheiten Satzkonstruktionen. Kurzfristig gesehen sind es zwar oft die Schwätzer und Autoritätshörigen, die im Beruf vorwärtskommen. «Worte maskieren Fähigkeiten. Wer sich auszudrücken versteht, gewinnt übermässig an Status», so Dobelli. Das ist auch Abbild eines Wertegefüges, das geistige Leistungen mehr honoriert als praktische, das Intellektuelle über- und Praktiker unterschätzt.
Doch ein kritischer Geist und Mut zahlen sich aus, sofern nicht der blosse Wunsch nach Erfolg der Treiber ist. Es gehe nicht um neue Ideen. «Wir brauchen nur weniger Dummheit», so Dobelli. Es ist nicht besonders intelligent, gegen die inneren Überzeugungen einen Karriereweg weiter zu verfolgen, bloss weil man schon so viel in diesen Weg investiert hat. «Aufwandsbegründung» nennt sich diese Denkfalle. «Wer viel Energie in eine Sache steckt, wird das Ergebnis überbewerten.» Nur wer sich auch traut, von einem einmal eingeschlagenen Weg abzukommen, erkennt Alternativen. Rolf Dobelli ist das lebende Beispiel dafür, dass ein Studium der Betriebswirtschaft inklusive Promotion nicht heissen soll, ein Leben lang sein Geld in der Welt der Zahlen und ökonomischen Modelle verdienen zu müssen.
Genau genommen ist Dobellis Faszination für die Mechanismen des Denkens schon in seinem ersten Roman, «Fünfunddreissig», angelegt, der stark autobiografische Züge trägt: Er lässt seinen Protagonisten Gehrer den Wunsch äussern, sich akribisch in das Thema «Denken» zu verbeissen. Ohne Handeln aber geht gar nichts. Auch dies hat der Macher und Rationalist Dobelli durch sein Alter Ego Gehrer bereits mitgeteilt: «Denken, ohne zu handeln, ist so primitiv wie fernsehen. Man betrachtet die Bilder, die im Kopf umherwirbeln, und dann meint man, man sei reifer geworden, gescheiter.»
Rolf Dobelli: Die Kunst des klugen Handelns. Carl-Hanser-Verlag, 2012.