Absagen mit Anstand
Veröffentlicht am 18.10.2019 von Manuela Specker -Bildquelle: gettyimages
Manche Unternehmen speisen Stellenbewerberinnen und -bewerber regelrecht ab. Das ist kurzfristig gedacht.
Eine Frage der Kapazitäten
All jene, die selber Standard-Bewerbungen verschicken und sich ganz offensichtlich nicht mit den Erfordernissen der Stelle auseinandergesetzt haben, sollten sich angesichts ihres betriebenen Kleinstaufwandes nicht beklagen, wenn sie eine Standard-Antwort zu lesen bekommen. Es fehlt den Firmen schlicht an Kapazitäten, auf jeden einzelnen einzugehen. Hinzu kommt, dass es auf der Grundlage schriftlicher Unterlagen allein nahezu unmöglich ist, individuell auf die Kandidatinnen und Kandidaten Bezug zu nehmen. Aber immerhin erfahren sie durch das Schreiben, woran sie sind. Alle anderen aber, die es sogar eine Runde weitergeschafft haben, können zu Recht brüskiert sein, wenn sie mit Floskeln abgespeist werden – oder, noch schlimmer, wenn die Firma gar nichts mehr von sich hören lässt.
Es ist dies eine sehr kurzfristig orientierte Rekrutierungspolitik: Wer mit Stil absagt, kann auch eher damit rechnen, einen bleibenden positiven Eindruck zu hinterlassen und weiterempfohlen zu werden. Jene Kandidaten, die in die engere Auswahl gekommen sind, dürfen auch eine persönlich formulierte Absage erwarten. Das hinterlässt überdies das Gefühl, dass die Auswahl auf faire Art und Weise erfolgt ist.
Eine Frage der Wertschätzung
Wie sich in einer Umfrage von Kienbaum Communications zeigte, hat der Wunsch nach einer stilvollen Absage viel mit Wertschätzung zu tun. Wer sich die Mühe genommen und sich mit dem Unternehmen auseinandergesetzt hat, wünscht sich, dass aus dem Absageschreiben zumindest ersichtlich wird, dass sich ihrerseits auch die Firma mit der Bewerbung auseinandergesetzt hat. Also keine Standardfloskeln à la „Wir bedauern, Ihnen keinen besseren Bescheid geben zu können.“ Im Zeitalter von Online-Bewerbungen kommt immerhin eine Unsitte kaum mehr vor: Die Formulierung, die Bewerbungsunterlagen „zu unserer Entlastung“ zurückzuschicken. Als wären diese Unterlagen eine Belastung gewesen. Dafür steigt mit dem Online-Bewerbungsprozess die Unverbindlichkeit seitens der Firmen. Ein absolutes No-Go ist natürlich auch, eine standardisierte Absage per E-Mail zu verschicken und die Empfängerinnen und Empfänger für alle sichtbar in den Verteiler zu nehmen, so wie dies tatsächlich mal einer Firma im Tourismusbereich passiert ist.
Idealerweise vermittelt die Absage den Kandierenden, die in die engere Auswahl gekommen sind, dass es keine schlechten Kandidierenden gibt, sondern nur unpassende Positionen. Und im besten Fall erfahren die Bewerbenden, was sie beim nächsten Mal besser machen können. Nicht nachahmenswert ist natürlich die Strategie, die Absage nicht zu akzeptieren und anzukündigen, einfach zur Arbeit erscheinen. Eine Australierin, die sich auf eine Verkäuferinnenstelle bewarb, schaffte es mit dieser forschen Art tatsächlich, doch noch zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden – es versteht sich von selber, dass ein solches Szenario die grosse Ausnahme bleibt. Zumindest wer es bis zum Vorstellungsgespräch geschafft hat, sollte sich aber nicht scheuen, auch auf eigene Faust Feedback bei den Firmen einzuholen. Einen rechtlichen Anspruch, die wahren Gründe einer Absage zu erfahren, gibt es natürlich nicht. Ein Unternehmen, das langfristig denkt und als attraktiver Arbeitgeber gelten will, nimmt sich aber die Zeit, seine Überlegungen darzulegen, sei es schriftlich oder telefonisch.