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Aller Anfang ist schwer

Veröffentlicht am 17.10.2018 von Manuela Specker - Bildquelle: Thinkstock
Aller Anfang ist schwer

Wenn Mitarbeitende bereits in der Probezeit wieder kündigen, hat das oft mit falschen Erwartungen zu tun.

Für jedes Unternehmen ist es der Horror: Wochen-, wenn nicht monatelang hat es gebraucht, um die vakante Stelle zu besetzen. Doch nach den obligaten drei Monaten Probezeit ist bereits wieder Schluss, der neue Mitarbeitende hat längst das Weite gesucht. Und schon fängt das Prozedere wieder von vorne an. Vorbei sind die Zeiten, als die Probezeit vor allem den Firmen dazu diente, die Passgenauigkeit zu überprüfen. „Speziell in Branchen und Bereichen, in denen der Erfolg durch den Fachkräftemangel bedroht ist, hat sich die Bewerbungssituation de facto umgedreht“, sagt Sven Hennige, Senior Managing Director beim Personaldienstleister Robert Half.

Mehr als früher auch verlassen sich Mitarbeitende auf ihre ersten Eindrücke, die sie in der Firma sammeln, denn ihre Erfahrung zeigt: Was auch immer ihnen in den ersten Wochen am neuen Arbeitsplatz nicht gut bekommt, wird sich zu einem späteren Zeitpunkt verschärfen. Gemäss der aktuellen Arbeitsmarkt-Studie von Robert Half, bei der 500 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus der Schweiz befragt wurden, gehört schlechtes Management zu den Hauptgründen, warum bereits in den ersten Wochen kapituliert wird. Auch wenn sich herausstellt, dass die Aufgaben anders sind als ursprünglich ausgeschrieben oder besprochen, merken die Neuen relativ schnell, dass sie einem Trugbild aufgesessen sind.  Killerkriterium sind auch eine Unternehmenskultur, die nicht passt, oder eine schlechte Einarbeitung.

Dass der Entscheid, das Unternehmen wieder zu verlassen, heute bedeutend schneller gefasst wird, ist nicht nur eine Folge des viel zitierten Fachkräftemangels oder von umgekehrten Machtverhältnissen. Es entspricht auch dem Zeitgeist, der da lautet: Warum unnötig Zeit vergeuden, wenn es nicht von Anfang an passt? Daraus wird aber leicht eine Jobhopper-Biografie, denn wer immer gleich das Weite sucht, hat tendenziell mehr Mühe, schwierige Situationen, die sich auch erst nach ein paar Jahren im Job einstellen können, einfach mal auszuhalten oder auszusitzen. Ein ungeschriebenes Gesetz lautet, dass immer irgendwo irgendetwas stört. Wer das Jobhopping intensiv betreibt, gerät leicht vom Regen in die Traufe.

Die Unternehmen selber könnten aber auch einiges dazu beitragen, dass die Probezeit nicht der Anfang vom Ende ist. Das fängt bereits mit der Transparenz und Ehrlichkeit an. „Unternehmen, die im Bewerbungsgespräch ehrlich und offen kommunizieren, was auf die Kandidaten zukommt, können die Gefahr einer raschen Kündigung nach der Einstellung verringern“, so Sven Hennige. Auch eine saubere und korrekte Einarbeitung ist nicht zu unterschätzen. Immer wieder kommt es sogar vor, dass Mitarbeitende an ihrem ersten Arbeitstag einfach vergessen gehen – niemand da, der sie empfängt, und von Blumen auf dem Tisch kann schon gar nicht die Rede sein. Dabei wäre neben einem herzlichen Willkommen eine seriöse Einarbeitung auch im Sinne des Unternehmens: Wenn Arbeits- und Entscheidungsprozesse schnell geläufig seien, so Sven Hennige, würden die neuen Mitarbeitenden rascher einen produktiven Beitrag leisten können.

Und warum eigentlich nicht im Vorfeld den einen oder anderen Probearbeitstag absolvieren? „Beide Seiten können nach der gemeinsamen Arbeit besser abschätzen, ob die Unternehmenskultur passt und die Aufgaben so sind wie erwartet.“ Man kann sich tatsächlich darüber wundern, warum Arbeitnehmende nicht mehr Zeit investieren bei der Frage, für wen sie arbeiten sollen. Das führt zur absurden Situation, dass zum Bespiel die Anschaffung eines Fernsehers bedeutend mehr Zeit in Anspruch nimmt. Da werden Vergleiche angestellt, die Preise unter die Lupe genommen, die Bildqualität überprüft, Informationen über die neusten Technologien gesammelt, während der neue Job auf die Schnelle angenommen oder abgelehnt wird. Obwohl man dort  – so ist zu hoffen – bedeutend mehr Zeit verbringt als vor dem Fernseher.