Die Gier nach Macht ist das grösste Hindernis auf dem Weg zu einer guten Führungskraft. Was macht gute Mitarbeiterführung aus? Managementberater Dan White hat einen unkonventionellen Weg eingeschlagen:Er analysiert, wie Bürotyrannen ticken, um zum gegenteiligen Verhalten zu raten.
- von Manuela Specker -
Mitarbeitende führen und motivieren steht manchmal im Widerspruch zur anderen, für die eigene Karriere entscheidenden Funktion von Vorgesetzten: dafür zu sorgen, dass die Zahlen stimmen. Dieser Spagat will erst einmal bewältigt werden.
Nur wenige können sich rühmen, eine ausgezeichnete Führungskraft zu sein; zu pluralistisch sind die Ansprüche, die von allen Seiten an sie herangetragen werden. Es ist deshalb immer auch eine Frage der Perspektive, was eine gute Führungskraft ausmacht.
Hingegen lässt sich mit Sicherheit sagen, welche Vorgesetzten nicht auf Mitarbeitende losgelassen werden dürfen. Diese Spezies steht einzig und allein der Macht willen in einer verantwortungsvollen Position. Sie ist getrieben vom Wunsch, den eigenen Einflussbereich zu vergrössern, koste es, was es wolle. Solche Bürotyrannen sind nicht etwa Einzelfiguren oder der Fantasie von Drehbuchautoren von TV-Serien wie «Mad Men» oder «Stromberg» entsprungen: Untersuchungen des kanadischen Psychologen und emeritierten Professors Robert Hare haben sogar ergeben, dass in den Management-Etagen prozentual mehr Psychopathen ihr Unwesen treiben als in der übrigen Bevölkerung. Das soll nicht weiter verwundern: Wo es um Macht und Einfluss geht, sind auch die Bürotyrannen nicht weit.
Der Managementberater Dan White macht sich die Funktionsweise der «Schreckensherrscher» zunutze, um aufzuzeigen, wie es Führungskräfte eben gerade nicht machen sollen. Sein Buch «Miese Chefs», das am Montag erscheint, ist aber auch für Mitarbeitende ohne Vorgesetztenfunktion hilfreich. Es gewährt Einblick in das Wesen der Tyrannei und die manipulativen Tricks, ganz nach dem Motto: Nur wer die miesen Chefs durchschaut, statt sich von ihnen einschüchtern zu lassen, kann sich auch gegen sie wehren.
Das Handeln solcher Vorgesetzten ist getrieben vom Wunsch, die eigene Position zu festigen und jegliches kritisches Denken zu unterdrücken. Dafür ist ihnen keine Methode zu schade und kein Trick zu perfid: den Konkurrenzdruck erhöhen, indem Mitarbeitende gegeneinander ausgespielt werden; Unsicherheiten verbreiten und Verwirrung stiften, indem Mitarbeitende nie wissen, woran sie sind, beispielsweise indem Verantwortlichkeiten verwischt werden.
Die Personalabteilung ist für die Bürotyrannen ein lästiges Hindernis in ihrem Streben nach Alleinherrschaft. «Unsicherheit und Konkurrenz sind zwei entscheidende Bedingungen für eine gelungene Schreckensherrschaft», so Dan White. Empathie ist solchen offensichtlich narzisstisch gestörten Chefs fremd – was zählt, ist ihre eigene Perspektive, ist die Unangreifbarkeit ihrer Führungsposition. Angestellte sind für sie in erster Linie Einheiten in einer Produktionskette. Vor diesem Hintergrund ist es nicht erstaunlich, wenn auch etwas gewagt, dass der Managementberater in seinem Buch eine Brücke schlägt zum «Führungsstil» eines Iwan des Schrecklichen oder eines Dschingis Khan.
«Viele Chefs, besonders jüngere auf ihrem ersten Führungsposten, entwickeln ein zu grosses Interesse am Machtaspekt der Führung», beobachtet Dan White immer wieder. Ihnen geht es nicht darum, dass ihre Unterstellten sich weiterentwickeln. Dabei sei die Rolle der Chefs mit Verantwortung und Rechenschaft für die Leistung anderer verbunden. Ihre Aufgabe ist es, den Leuten zu helfen, aus ihren Fähigkeiten das Maximum herauszuholen. Oder, wie es White ausdrückt: «Bei Führung sollte es um das gehen, was Sie anderen geben können, nicht um das, was Sie für sich selbst rausholen können.» Stattdessen können so manche den Verlockungen der Macht nicht widerstehen und erliegen dem Grössenwahn.
White zeigt auf, wie schnell ein zum Vorgesetzten Beförderter denkt, er sei der Auserwählte, der den anderen intellektuell und überhaupt in jeder Hinsicht überlegen ist. Macht, Geld und Gier sind die Verführungen, die auch im Grunde genommen talentierte Führungskräfte zu solchen mutieren lässt, welche die Angestellten am liebsten zum Teufel schicken würden. Es lohnt sich also, mal einen genaueren Blick auf die schlechten Chefs zu werfen. «Wenn Sie das, was der Tyrann täte, einfach nicht fertig- bringen, dann sind Sie schon auf halbem Weg dazu, ein grossartiger Chef zu werden», so White.
Auf dem Boden bleiben – das ist es, was eine vorbildliche Führungskraft unter anderem auszeichnet. Der kürzlich verstorbene Amag-Gründer Walter Haefner war die Bescheidenheit in Person, obwohl er angesichts seines Spürsinns fürs Geschäft und seiner Generosität allen Grund gehabt hätte, sich in allerbestem Licht darzustellen. Der Patron alter Schule arbeitete lieber im Hintergrund und scheute die grossen Auftritte. Seine einstige Aktion, einen PS-starken Porsche-Motor in einen VW-Käfer einzubauen, hat vor diesem Hintergrund geradezu symbolische Bedeutung.
Dan White: Miese Chefs. Die Tricks der Tyrannen am Arbeitsplatz. Ariston-Verlag, 2012.
«Unsicherheit und Konkurrenz sind entscheidende Bedingungen für eine gelungene Schreckensherrschaft.»
Dan White, Autor
(Photo: iStock)