Vorgesetzte ziehen Angestellte vor, die ihnen ähnlich sind. Das kommt Firmen teuer zu stehen.
Befördert wird, wer möglichst ähnlich funktioniert wie der Chef. Gleich zwei Beratungsunternehmen setzen grosse Fragezeichen hinter diese Praxis.
- von Manuela Specker -
Nun verwundert es nicht mehr, warum manche Manager sich gleichen wie ein Ei dem anderen. Die Boston Consulting Group (BCG) schaute genau hin, wie neue Stellen besetzt werden und welchen Mitarbeitenden welche Aufstiegsmöglichkeiten intern geboten werden. Sie nahm dafür 44 international agierende Konzerne unter die Lupe und befragte 100 Vorgesetzte von Personalabteilungen.
Wie sich herausstellte, befördern Führungskräfte vor allem jene, die ähnlich ticken wie sie, und nicht unbedingt jene, die sich am besten eignen. Ein Jahr zuvor hatte sich schon das Beratungsunternehmen Roland Berger des Themas angenommen. Es kam in seiner Untersuchung von 40 deutschen Grosskonzernen zum selben Schluss. Zusätzlich wurde der finanzielle Schaden berechnet: Bis zu 21 Milliarden Euro kostet es demnach die Firmen, wenn sie auf Einheitsbrei statt auf Vielfalt setzen.
Die Vertrautheit macht zwar vieles einfacher im Berufsalltag, doch wenn alle Mitarbeitenden ähnlich funktionieren, werden Entwicklungen verpasst und fehlt in vielen Fällen die kritische Gegensteuer. Neue Märkte bleiben verschlossen, und es mangelt an unterschiedlichen Blickwinkeln. René Grüter, Senior Partner bei der Schweizer Beratungsfirma CTS Group, findet dies höchst fragwürdig: «Ein solches Umfeld behindert die gegenseitige Befruchtung und steht damit der Innovation im Weg. Es ist doch wichtig, sich auch mit andersdenkenden Menschen auseinanderzusetzen.»
Er interpretiert die Angewohnheit von manchen Vorgesetzten, einen ähnlichen Typus zu rekrutieren, als Zeichen von Angst und Unsicherheit und damit letztlich als Führungsschwäche. «Wirklich gute Vorgesetzte können nicht nur mit Diversität und unterschiedlichen Strömungen im Team umgehen, sondern generieren daraus einen Mehrwert für den verantworteten Bereich und für das Unternehmen.»
Wenn aber Vorgesetzte vor allem jene bevorzugen, die eine ähnliche Ausbildung durchlaufen haben, die gleich denken und Probleme gleich angehen, bleibt die viel beschworene Diversity auf der Strecke. Zudem besteht die Gefahr, lauter Jasager um sich zu scharen, die den Chef nie negativ kritisieren. Ein Effekt, den unsichere Vorgesetzte geradezu suchen.
Der Karriereberater und Buchautor Martin Wehrle, der den täglichen Irrsinn in den Firmen anhand Tausender von Leserzuschriften analysiert hat, stellt immer wieder fest, dass Chefs ohne Rückgrat in erster Linie Anpassungskünstler befördern. «Kritische Geister haben es in einem solchen Umfeld schwer. Der Angepasste, der dem Vorgesetzten suggeriert, dieser mache alles richtig, hat oft leichtes Spiel und wird eher befördert.»
Doch so ein Mitarbeiter ist nur auf den ersten Blick der loyalere. Loyalität bedeutet schliesslich auch, den Vorgesetzten zu warnen, wenn etwas schiefzugehen droht. «Doch wenn nur Jasager herangezüchtet werden, müssen sich Vorgesetzte nicht wundern, wenn dieses Korrektiv ausbleibt», meint Wehrle.
Sie schaden sich damit im Endeffekt selbst, aber auch dem Unternehmen. Das Selbstbild der Firmen deckt sich ganz und gar nicht mit dem Fremdbild: Die meisten Unternehmen glauben, ihre Beförderungsprozesse seien transparent und neutral. Mitarbeiterinnen stimmen dieser Ansicht deutlich weniger zu als Mitarbeiter. Laut der Boston Consulting Group bezeichnen nur gerade 18 Prozent der Frauen den Beförderungsprozess als transparent und neutral, bei den Männern sind es 40 Prozent.
Die Realität gibt den skeptischen Frauen recht. Die Studie zeigte, dass Männer doppelt so häufig befördert werden wie Frauen. Die fragwürdige Beförderungspraxis, die auf Ähnlichkeit statt auf Diversity setzt, lässt also auch den tiefen Anteil an Frauen in Führungspositionen in einem anderen Licht erscheinen: «Männlich dominierte Führungskultur» wurde in der BCG-Untersuchung als häufigster Grund für den tiefen Frauenanteil genannt.
Laut Rainer Strack, Senior Partner bei BCG, ist der Mangel an Frauen in Führungspositionen vor allem ein Problem des internen Talentmanagements. In einem Umfeld, wo Beförderungen nicht zwingend nach dem Erfolgs-, sondern nach dem Gleichheitsprinzip erfolgen, ist die berühmte gläserne Decke fester denn je. Da gibt es kaum ein Durchkommen nicht nur für Frauen, sondern für alle, die nicht ins Schema passen. Die Beratungsfirma kommt deshalb zum Schluss, dass die Unternehmen noch einen langen Weg vor sich haben, wenn sie talentierte Mitarbeitende unabhängig von Geschlecht, Nationalität oder Herkunft fördern wollen. Mit anderen Worten: Das viel beschworene Diversity Management ist oft ein reines Lippenbekenntnis.
(Photo: HO)